Das erste Novemberwochenende stand ganz im Zeichen der Hannoveraner Dressurpferdezucht, denn die Körung der zweieinhalbjährigen Hengste für diese Disziplin stand an. Die Veranstaltung wurde um Dressurprüfungen der Klasse S für sieben- bis neunjährige Pferde, den FRH-Cup, erweitert. So soll die Verbindung zum Sport intensiviert werden. Den hochkarätigen Finalritten der besten acht Paare, angesetzt zwischen der Hengstbesichtigung auf der Dreiecksbahn und dem Longieren, folgten nahezu alle Besucher. Das Ziel, den Züchtern und Besuchern neben der Betrachtung der jungen Hengste auch das spätere Ziel eines Dressurpferdes kurzweilig und hochqualitativ aufzuzeigen, konnte somit bereits im ersten Jahr erreicht werden. Zeitplan und Umfang der Dressurhengstkörung lassen auch in Zukunft die Integration des FRH-Cups in die Dressurhengstkörung zu.
54 Hengste erhielten nach dem abschließenden Freilaufen ein Körurteil, das 29 mal positiv ausfiel. Die Körquote befindet sich damit bei kleiner werdenden Kollektionsgröße in ihrer absoluten Anzahl auf dem Niveau der Vorjahre, prozentual ist die Körquote gestiegen. Veränderungen in der Ausrichtung des Fohlenankaufs und insbesondere die angesetzten Maßstäbe durch Aussteller und Ausbildungsbetriebe bereits zum Zeitpunkt des Beginns der Vorbereitung sind Hintergründe dieses Ergebnisses, das sich in den Vorjahren bereits hat ablesen lassen. Einen Anstieg verzeichnet die Vergabe des Titels „Prämienhengst“. Im vergangenen Jahr waren es bei einer zehn Prozent größeren Kollektion neun Prämien, in diesem Jahr zehn.
Welchen Einfluss der Körjahrgang auf die zukünftigen Jahrgänge Hannoveraner Dressurpferde nehmen wird, ist aktuell schwer abzuschätzen. Das Auszählen gekörter Hengste nach Blutlinien ist dafür nicht geeignet. Denn das Angebot der bisherigen Blutlinien bei den staatlichen und privaten Hengsthaltungen ist in ihrer Gesamtheit bereits vielfältig genug angelegt – es kommt also weiterhin darauf an, welche Hengststation eine entsprechende Anzahl Züchter als Bestands- oder Neukunden auf sich vereinigen kann. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass einzelne Hengste in der Lage sind, erheblichen Einfluss auszuüben, so dass es dafür keine große Anzahl an gekörten Vertretern seiner Blutlinie geben muss.
Im vergangenen Jahr trumpften Bon Courage und Valdiviani mit ihrem ersten Jahrgang in Verden auf. Beide bestätigten in diesem Jahr ihre positive Vererbungstendenz. Bon Courage war mit zwei Söhnen vertreten, die beide gekört und prämiert wurden. Er selbst bot ein beeindruckendes Bild im Showprogramm der Körung, wo er von Thomas Schulze unter dem Sattel vorgestellt wurde. Sein von Theo Lenzen aus einer Ehrenpreis-Mutter rheinisch gezogener Sohn kam nur zur Körung nach Verden und wird seine Beschälerbox im Landgestüt in Warendorf beziehen. Dass aus dem Lot der verkäuflichen Hengste drei weitere Junghengste in deutsche Landgestüte wechseln, ist ebenfalls erfreulich. So sicherte sich das Landgestüt Celle einen Bon Vivaldi/Royal Blend-Nachkommen aus der Zucht von Wilhelm Kamps, Cuxhaven, dessen Halbgeschwister Shakeela FRH, Belinda FRH und Fürst Willi bereits mit Championatserfolgen aufwarten können. Wie so oft mit von der Partie war das Landgestüt Moritzburg, das mit einem Totilas/Sir Donnerhall aus der Zucht von Thorsten Hogrefe, Rethem, einen weiteren Landbeschäler aus Verden bezieht. Totilas-Blut wird es auch beim Landgestüt Marbach geben, die sich einen So Unique/Totilas-Sohn aus der Zucht von Willem Klausing, Diepholz, sicherten.
Valdiviani war erneut mit einem Sohn auf der Körung in Verden vertreten und stellte damit zugleich einen Prämienhengst, der bei seinem Aussteller Tobias Schult in Hünxe in den Deckeinsatz geht. Er stammt aus der rheinischen Erfolgszucht der Zuchtgemeinschaft Wenck. Dancier Gold FRH war erstmalig mit zwei Hengsten in Verden vertreten. Beide waren durchaus ähnlich in der Typausprägung und den Bewegungen und erinnerten sehr an den Vater. Beide Hengste wurden mit einer Prämie ausgezeichnet, und es wäre wünschenswert, wenn sie eine Chance bekämen, die väterliche Blutlinie weiterzuführen. Der Dancier Gold/Vivaldi-Sohn ist der erste Oldenburger Hengst, der in Verden gekört und prämiert wurde. Von insgesamt acht Oldenburger Hengsten wurden sechs gekört. Der zweite Dancier Gold-Sohn stammt aus der Zucht von Martin Honigfort, Haselünne, und wechselte über den Hengstmarkt in den Besitz des Gestüts Sprehe. Als Titelheld des Körkatalogs bereicherte Dancier Gold FRH unter dem Sattel von Susanne Rüben ebenfalls das Showprogramm. Mit seinem Premierenjahrgang stellte der Celler Landbeschäler Von und Zu zwei Köraspirante. Beide waren hinsichtlich des Typs deutlich durch ihren Vater geprägt und wurden gekört. Ein Dunkelfuchs aus einer Mutter von Santino (Z.: Heiko Feldhus, Grethem), der großlinig und formschön daherkam und insbesondere an der Longe ein sehr gutes Bild ablieferte, wurde zudem prämiert.
Dass Erfolg nicht nur mit Junghengsten zu erzielen ist, bewiesen unter anderem Totilas und Benicio. Totilas stellte zwei Köraspiranten, die beide gekört wurden. Ein Dunkelfuchs aus einer Sezuan-Mutter, der viel Stabilität und Gleichgewicht bei passender Größe an den Tag legte, wurde prämiert. Aus der Zucht der Moormann-Hanke GbR, stand er nicht zum Verkauf über die Auktion. Ein formschöner Benicio-Sohn mit guten Bewegungen eröffnete die Körung und sorgte auf der Dreiecksbahn für ein optimales Opening. Er führt viel Springblut im Pedigree und tritt kraftvoll und selbstbewusst auf. Seine Halbschwester Fiodora v. Fürsten-Look vertrat die Hannoveraner Farben unter französischer Flagge auf der diesjährigen Weltmeisterschaft der jungen Dressurpferde in Ermelo, und in denselben Stall wird nun auch ihr Halbbruder ziehen.
Secret ist ebenfalls auf dem Weg, ein bewährter Vererber zu werden. Seine Nachkommen dominieren aktuell die Jungpferdechampionate und auch zu dem diesjährigen Körlot fügte er zwei gekörte Söhne bei, von denen einer aus einer Lord Loxley-Mutter prämiert wurde. Als Besonders ist bei diesem Hengst seine Bedeutung im Auftreten und das gleichmäßig hohe Niveau der drei Grundgangarten zu erwähnen. Aus der Zucht von Johann von der Decken, Krummendeich, wird er züchterisch über die Hengststation Tebbel zu beziehen sein.
Komplettiert wurde das Prämienlot mit zwei Nachkommen, die aufgrund des Auktionszuschlags voraussichtlich nicht in den Deckeinsatz gehen werden. Dazu zählt der zweite prämierte Bon Courage-Sohn, abstammend aus einer Rotspon-Mutter (Z.: Hans-Ludwig Dittmer, Rhadereistedt). Er zählte hinsichtlich der Bewegungsgroßzügigkeit in allen drei Grundgangarten sicherlich zu den komplettesten Hengsten der Körung, so dass ihm in der Gesamtbetrachtung der bügelnde Gang verziehen werden konnte. Das hat der Markt ähnlich beurteilt wie die Körkommission, so dass dieser Dunkelfuchs mit 170.000 Euro zur Preisspitze avancierte und in fördernde Dressurreiterhände zugeschlagen wurde. Schon zum zweiten Mal stellte der Züchter 2023 den Spitzenpreis einer Auktion, resultierend aus seiner Zucht mit zwei Zuchtstuten. Zweitteuerster Hengst und zugleich prämiert wurde ein Le Formidable/Florencio-Sohn (Z.: Catharina Harten Denker, Beesten), der einem Vollblutstamm entspringt. Ein Hengst mit großen Möglichkeiten hinsichtlich seines Bewegungspotenzials, der ebenfalls von Dressurspezialisten erkannt und erworben wurde.
Dieses insgesamt ausgeglichene und umfangreiche Prämienlot darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Trend der Dressurkörungen der vergangenen Jahre in seiner Breite nicht in die richtige Richtung weist. Bereits die Anmeldungen zur Hengstvorauswahl zeigten einen deutlich rückläufigen Trend auf, wenngleich dieser Trend wegen der eingangs genannten Gründe nachvollzogen werden kann. Etwa 50 Hengste weniger standen auf der Liste. Ohne die Öffnung der Körung und des Hengstmarktes für andere Rassen wären es gut 70 Hengste weniger gewesen. Das zuvor selbstgesteckte Ziel, die Anzahl der Hengste auf der Körung möglichst zu erhöhen, ließ sich auf dieser Basis nicht verwirklichen. Der Anteil der Stuten, die von Junghengsten belegt werden, ist unter den Hannoveraner Dressurpferdezüchtern traditionell recht hoch. Dieser Plan kann aber langfristig nur dann aufgehen, wenn diese Junghengste auch entsprechend „einschlagen“. Mit diesem Blick ließen bereits im vergangenen Winter anhand des Hengstfohlenjahrganges 2021 angestellte Prognosen auf ein unsicheres Ergebnis der diesjährigen Körung schließen. Eng verbunden ist dann auch der Hengstmarkt mit der Körung. Die Zuschlagspreise der Auktion dürfen als passend zur Hengstqualität und zum Zeitgeist eingestuft werden. Zudem trägt die Einstufung der Kollektion durch die Interessenten wesentlich zum Dressur-Hengstmarktergebnis bei. Der Hengstmarkt verzeichnete einen Umsatzrückgang von knapp drei Millionen Euro auf 2,1 Millionen Euro. Diese Werte sind vor dem Hintergrund, dass die Hengstmärkte noch vor wenigen Jahre tendenziell den doppelten Umsatz brachten, umso bedeutsamer. Sie bestätigen den Ende 2022 kommunizierten Trend, dass es sich für die kommenden Jahre auf dieses Niveau einzustellen gilt. Die aktuellen weltwirtschaftlichen Entwicklungen sowie Veränderung in der Branche der Hengsthaltungen stützen diese Annahme.
Umso wichtiger wird es sein, dass der Hannoveraner Verband und seine Züchter mit den Hengsten hinsichtlich Bewegungsqualität, Stabilität und Gesundheit den hohen Anforderungen des Dressursports entsprechen. Nur so werden langfristig nationale und internationale Begehrlichkeiten der Sport- und Zuchtwelt auf das Hannoveraner Dressurpferd gelenkt werden können.