Mount St John Freestyle und Cathrine Laudrup-Dufour (Foto: Bronkhorst)

Paris 2024 – Mount St John Freestyle: Liebe auf den ersten Ritt

Mount St John Freestyle (VA) v. Fidermark/Donnerhall
geb. 2009
Z.: Stephan Kurz, Zöbingen
R.: Cathrine Laudrup-Dufour/DEN

Als Mount St John Freestyle 2009 bei der Elite-Fohlen- und Zuchtstuten-Auktion durch die Niedersachsenhalle trabte, ahnte noch keiner, dass aus dem ausdrucksstarken Stutfohlen einmal eines der am meisten beachteten Dressurpferde der Welt werden würde. Schon damals trug sie den so passenden Namen Freestyle und war eines von 298 Fohlen, die an jenem Augustwochenende in Verden versteigert wurden. So kam sie in den Besitz der Britin Emma Blundell und ihrem Gestüt Mount St. John, die noch heute Mitbesitzerin der braunen Stute sind. Vier- und fünfjährig wurde Mount St John Freestyle in der Zucht eingesetzt und brachte A la Freestyle v. Ampere, Dancefloor v. De Niro und per Embryotransfer ein Hengstfohlen v. San Amour.

2018 betrat Mount St John Freestyle die internationale Bühne. Mit Olympiasiegerin Charlotte Dujardin feierte sie acht Siege auf Grand Prix-Niveau in Folge und erreichte dabei in der Kür bereits Ergebnisse von über 80 Prozent. In Großbritannien war sie längst keine Unbekannte mehr, hatte sie doch so gut wie alle Titel in den Championate für junge Dressurpferde gewonnen. Bei den Weltreiterspielen in Tryon/USA im selben Jahr gewann Mount St John Freestyle Einzel- und Teambronze. Ein Jahr später bei den Europameisterschaften in Rotterdam/NED gehörte sie zum Favoritenkreis, wurde jedoch nach einem sensationellen Grand Prix aufgrund der „Blood rule“ disqualifiziert. Zwei Jahre später endete die Partnerschaft zwischen Emma Blundell und Charlotte Dujardin, und es wurde ruhiger um die Stute. Sie kehrte auf das Gestüt Mount St John zurück, bekam eine Ruhepause und wurde per Embryotransfer erneut in der Zucht eingesetzt. Das brachte ihr den Titel „Leistungsstute Dressur“ ein.

Emma Blundell ließ es sich nehmen, Mount St John Freestyle von Zeit zu Zeit selbst auf nationalen Turnieren vorzustellen. Ende vergangenen Jahres wurde bekannt, dass die dänische Weltklassereiterin Cathrine Laudrup-Dufour in den Sattel der jetzt 15 Jahre alten Braunen steigen würde mit dem Ziel Paris. Beim Tag der offenen Tür auf dem Gestüt Mount St John hatte sich das aus einem Gespräch mit der Dänin Lone Boegh Henriksen, mit der Emma Blundell eine lange Freundschaft verbindet, entwickelt. „Wir haben nur darüber gesprochen, dass ich Freestyle gerne wieder im internationalen Sport sehen würde“, sagt die Britin. Schon beim Ausprobieren gab es keine Zweifel: „Ich wusste sofort, dass Freestyle etwas ganz Besonderes ist. Sie hatte ihre Ohren nach vorne gerichtet und wollte arbeiten. Es war Liebe auf den ersten Ritt“, erinnert sich Cathrin Laudrup-Dufour. Seitdem haben sich die beiden zweimal auf internationalen Turnieren präsentiert und das Viereck beide Male als Doppelsiegerinnen verlassen. „Als ich nach der letzten Piaffe auf der Mittellinie war, sind mir die Tränen gekommen, weil ich nicht glauben konnte, was passiert war. Freestyle hat ihr Bestes für mich gegeben“, sagte die 32-Jährige nach ihrem Auftritt in Kronenberg/NED. „Das ist so unwirklich – ich bin schon immer ein Freestyle-Fan gewesen – jetzt muss ich mich kneifen, weil ich nun selbst in ihrem Sattel sitze!“ Und Emma Blundell ist sich sicher: „Freestyle ist das Pferd meines Lebens – sie war unser erstes Fohlen, das wir gekauft haben, hat Bronze bei den Weltreiterspielen gewonnen und geht jetzt zu den Olympischen Spielen! Ich könnte nicht glücklicher sein.“

Mount St John Freestyle kommt aus einem wahrhaft Olympischen Stamm. Sie geht zurück auf den Hannoveraner Halbblutstamm der Liebeslust, der nicht nur die Celler Landbeschäler Antibes v. Atatürk/Freiherr (Z.: Heinrich Fricke, Sottrum) und Grey Butt v. Grey Top/Sunset Boulevard xx (Z.: Bernadette und Kathrin Krage, Spelle-Venhaus) hervorgebracht hat, sondern auch Andreas Dibowskis Olympiapferde Leonas Dancer v. Solo Dancer xx/Basalt xx (Z.: Bernhard Revens, Gotthun) und FRH Butts Leon v. Heraldik xx/Kronenkranich xx (Z.: Friedrich Butt, Bülkau).

Bei Stephan Kurz im Ostalbkreis auf die Welt gekommen, war Mount St John Freestyle das erste Fohlen, das der Baden-Württemberger nach Verden zur Auktion schickte. „Damals waren die Hannoveraner relativ neu mit einem Pferdezuchtverein in Baden-Württemberg“, erinnert sich der Züchter aber die Wege und der Aufwand, Pferde nach Verden zu schicken, sei doch sehr groß. Freestyles Mutter Donna Gracia, selbst in kleineren Dressurprüfungen am Start, überzeugte in ihrer Stutenprüfung mit der Note 9,0 für ihr Temperament und die Leistungsbereitschaft – Eigenschaften, die sie an ihre berühmte Tochter weitergegeben hat. In den Stall von Stephan Kurz kam sie über den Württemberger Verband, als er auf der Suche nach einer Donnerhall-Tochter war. „Ihr Züchter wollte unbedingt, dass sie in gute Hände kommt“, erinnert sich Stephan Kurz. Insgesamt hat sie in 17 Zuchtjahren zwölf Fohlen gebracht. Darunter die Vollgeschwister Jousephine und Jasper v. Johnson, die in schweren Dressuren erfolgreich sind.  „Ihre Nachkommen sind Pferde, die immer mitmachen wollten: als Fohlen relativ normal, aber wenn ein Sattel draufkommt, zeigen sie, was in ihnen steckt!“ Donna Gracias Mutter Aarona ist die rechte Schwester des ehemaligen Celler Landbeschälers Antibes und hat den Stamm der Liebeslust nach Süddeutschland gebracht. Sie kam als Springpferd zu Oskar Ostermaier nach Balingen und feierte zahlreiche Siege und Platzierungen bis S-Springen. Bevor sie in den Sport ging, brachte sie vier- und fünfjährig bei ihren Züchtern zwei Fohlen zur Welt. Heute gehört mit Queen of Dreams v. Quaterback Freestyles Halbschwester zu Stephan Kurz‘ Stutenbestand.

Obwohl der Kontakt zwischen Stephan Kurz und Emma Blundell gut ist, ist es dem Züchter noch nicht gelungen, Mount St John Freestyle bei einem Turnier zu sehen. Einmal bei der Royal Olympia Horse Show in London hatte sich die Stute kurz vorher verletzt, bei der EM in Rotterdam erfolgte die Disqualifikation nach dem Grand Prix. Aber zu Catherine Laudrup-Dufour hatte er bereit Kontakt. „Ich habe ihr über Instagram geschrieben, und es hat keine halbe Stunde gedauert, bis ich eine Antwort hatte“, freut sich Stephan Kurz. „Ich bin froh, dass sie in so gute Hände gekommen ist. Das war nur über Verden möglich! In Baden-Württemberg wäre das schwierig gewesen.“